Forschung & Entwicklung Dimensionserweiterung / Wissen und Entscheidung Um zu verstehen, welche Aktivitäten zu welchen Artefakten füh- ren, muss die Entscheidungsfindung als solches mit betrachtet werden. Soll beispielsweise die Entscheidungsfindung im Rah- men der Produktentwicklung berücksichtigt werden, müssen entscheidungsrelevante Aktivitäten zunächst gesondert identifi- ziert werden. Gleichzeitig müssen im Rahmen der Aktivitäten verwendete Artefakte in ihren enthaltenen Informationen betrachtet werden. Die Analyse kann so weit gehen, dass selbst das Wissen, welches von Artefakt und Protagonisten in die Akti- vitäten eigebracht wurde berücksichtigt wird. Dazu wird jedoch eine neue Anforderung an die Modellierung des Datenflusses gestellt. Es geht darum, Dynamik und Varianz mit zu modellie- ren und gleichzeitig projektübergreifende Erkenntnisse ablei- ten zu können. Der entstehende Mehrwert dieser Analysen des verwendeten Wissens und der Identifikation von Entscheidungspunkten zeigt sich bei der Gestaltung des Entwicklungsumfelds. Werkzeuge, Prozesse und Artefakte können gezielt auf diese Entschei- dungspunkte zugeschnitten werden, um beispielsweise die Auswirkung auf die Produktgestaltung besser bewertbar zu machen. Gleichzeitig kann kritisch überprüft werden, ob die Entscheidung anhand von Fakten oder auf Basis von Bauchge- fühl und Intuition erfolgte. Zudem ermöglicht die Identifikation von Entscheidungsergebnissen, die Relevanz von einzelnen Entscheidungen zu bewerten. Schließlich sollten Systeme zur Entscheidungsunterstützung genau an dieser Stelle ansetzen: Eine Integration in die geeigneten IT-Systeme und individuelle Informationsbereitstellung je nach Rolle kann so realisiert wer- den. Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend zeigt sich, dass die Datenflussanalyse nicht nur zur Optimierung der Produktentstehungsprozesse bzw. des Entwicklungsumfelds Verwendung finden kann. Der Einsatz in der Koordination der Produktentstehung auf Basis des Daten- flusses erlaubt eine detaillierte und zuverlässige Kommunikati- on der vorgesehenen Entwicklungstätigkeiten. Betrachtet man selbst die letzte Detaillierungsstufe, die Umsetzung von Aufga- ben im Individuum oder durch Maschinen, so ergibt sich ein vollständig geschlossener Feedback-Loop, welcher eine ganz- heitliche Optimierung des Entwicklungsumfelds ermöglicht. Im Ausblick wird der Datenfluss zum Kern einer koordinieren- den Instanz. Mit der steigenden Automatisierung der Produkt- entwicklung wird die Koordination der Mensch-Maschine-Kolla- boration anhand des Datenflusses eine wesentliche Vorausset- zung für die effiziente Umsetzung der Produktentstehungspro- zesse. Dabei kann die Aufnahme der höchsten Detaillierungs- stufe mit Hilfe lernender Algorithmen automatisiert und der Regelkreis somit fortlaufend erhalten werden. 38 ProduktDatenJournal 2019-2 Literatur: [1] Abramovici, Michael; Herzog, Otthein (Hg.) (2016): Engineering im Umfeld von Industrie 4.0. Einschätzungen und Handlungsbedarf. München, München: Herbert Utz Verlag GmbH; acatech (Acatech Studie). [2] acatech (2011): Cyber-Physical Systems. Innovationsmotor für Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion. Berlin, Heidelberg: Springer (acatech Position, 11). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642- 27567-8. [3] VDI 2221 Blatt 1, 03/2018: Entwicklung technischer Produkte und Systeme. [4] Lünnemann, Pascal; Stark, Rainer; Wang, Wei Min; Manteca, Paola Ibanez (2017): Engineering activities — considering value creation from a holistic perspective. 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Kai Lindow Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik Leiter der Abteilung Informations- und Prozesssteuerung E-Mail: kai.lindow@ipk.fraunhofer.de Tel: +49 30 39006214