Fachthemen Traditionelle PLM-Lösungen decken oft nur über in der Vergangenheit akquirierte und mäßig integrierte Lösungen die verschiedensten Phasen im Lebenszyklus ab. Manche Lösungen verwirklichen nur Teile dessen, was sie versprechen. Andere scheitern, weil die Implementie- rung viel Zeit in Anspruch nimmt, etwa weil die Lösung aufwändig an vorgege- bene kundenspezifische Abläufe anzu- passen ist. Andere bieten keine einfa- chen Möglichkeiten zum Upgrade und können daher – einmal eingerichtet – nur schwer weiter angepasst werden. Die meisten Lösungen scheiterten jedoch an einem zu engen Begriff von PLM. Sie beschränken den Produktle- benszyklus auf den Entwurf und das Anpassen eines Produkts. Produkdaten- management zum Beispiel dient in die- sem Verständnis nur dem Ingenieur oder Entwickler, während andere Pha- sen eines End-to-End-Produktlebenszy- klus wie Produktion und Service gar keine Rolle spielen. Andere Abteilungen im Unternehmen ignorieren ihrerseits CAD und Entwicklung, weil deren Einbe- ziehen in ihre Abläufe für sie zu aufwän- dig ist. Mit demselben Argument wird auch der Service nicht eingebunden. Ganz zu schweigen von Zulieferern, die aber bei komplexen Produktionsabläu- fen immer wichtiger werden. Zu guter Letzt zahlt der Kunde für eine isolierte Wartung, ist dabei an den Hersteller geknebelt und kann sich nur schlecht aus einer solchen Bindung lösen. Digitale Transformation des gesamten Produktlebenszyklus Ein solches Stückwerk isolierter PLM- Phasen greift zu kurz. Die neue Produkt- welt verlangt einen umfassenden Prozess, der gleichberechtigt alle Technologien und Akteure einbindet. Produktlebens- zyklen werden daher digital transformiert. Ein solches digitalisiertes PLM besteht nicht mehr nur allein aus CAD und Pro- duktdatenmanagement. Auch Customer Relationship Management (CRM), Enter- prise Ressource Planning (ERP) und Manufacturing Execution Systeme (MES) gehören nun zum „Leben“ eines Produkts. Auch die Entwicklung – Simulation, Veri- fikation und Systemarchitektur – kann in einem umfassenden Ansatz einen neuen Beitrag liefern, um etwa spätere Abläufe besser und kostengünstig zu gestalten. Das betrifft auch Abläufe in Produktion, Wartung oder Service. 2020-1 ProduktDatenJournal 39 PLM vernetzt denken und umsetzen (Bild: Getty Images) Fahrzeuge: Ein Automobil, das früher hauptsächlich aus einer Karosserie mit Motor auf vier Rädern sowie weiteren mechanischen Elementen bestand, ist nun ein interdisziplinäres Technologie- produkt: Einige Audi-Modelle zum Bei- spiel informieren den Fahrer, wenn eine Ampel auf Grün umspringt und empfeh- len dem Fahrer die richtige Geschwin- digkeit, um den Stop bei Rot zu vermei- den. Der Anteil der Software am Kraft- fahrzeug steigt permanent. Bei großen Automobilen wächst er laut einer Studie von McKinsey aus dem Jahr 2018 um 11 Prozent im Jahr und wird 2030 bei 30 Prozent liegen. In der Folge wächst auch der Anteil an IT-Hardware durch die not- wendigen Mikroprozessoren, Speicher, Kontroll-Elementen und Sensoren. Und diese Tendenz gilt für immer mehr Pro- dukte und Geräte. Mehr Software bringt neue Funktionalitäten, aber auch mehr Komplexität und steigert die Anforde- rungen an die Produktentwicklung. Außerdem werden Produkte nicht nur intelligenter, sondern auch vernetzter. So gehört zum Gesamtprodukt Automo- bil jetzt auch das Internetportal und die notwendigen Kommunikationsprotokol- le, um Informationen an andere Geräte zu übertragen. Aber nicht nur Autos sind miteinander vernetzt. Laut Einschätzung der Analysten von Gartner senden rund 6,4 Milliarden Geräte Daten, wobei es sich nicht nur um PCs, Notebooks, oder Smartphones handelt. Mehr Software und höhere Vernetzung sorgen für neue Komplexitäten. So wachsen auch die regulatorischen Anforderungen, die sich ändern können und die nun während des gesamten Pro- duktlebenszyklus zu erfüllen sind. Neue Anforderungen kommen zum Beispiel aus dem Datenschutz. Oder sie stellen stets neue Anforderungen an die Daten- sicherheit bei der Informationsübertra- gung. Gleichzeitig entstehen dabei immer mehr Daten. Vernetzte Technologien bieten deswegen zugleich neue Chan- cen. Hersteller können und wollen zunehmend von den Informationen pro- fitieren, die sie so über ihre Produkte im tatsächlichen Einsatz beim Kunden erhalten. Die Informationen, die vor Ort gesammelt und an das Unternehmen zurückgespielt werden, lassen sich nut- zen, um Produkte permanent zu verbes- sern oder bessere Nachfolgeprodukte zu entwickeln. Die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus basieren dabei zunehmend stärker auf der Verteilung von Information. Immer mehr Unterneh- men sind nun überzeugt, dass sie ihre Produktentwicklung an diese neuen Vor- gaben anpassen müssen. Ende des traditionellen PLM Die Neukonzeption und digitale Trans- formation des PLM steht daher für viele Unternehmen auf der Agenda. Häufig jedoch scheitern sie dabei. Der Grund dafür ist eine immer noch häufig zu klas- sische Herangehensweise an die digitale Transformation, die von einem linearen Ablauf verschiedener PLM-Phasen aus- geht. In der Folge wird nicht verzahnt gedacht, sondern an die einzelnen Pha- sen. In der Folge werden große Budgets isoliert in einzelne Technologien inve- stiert: Sei es nun IoT, AI, Big Data, AR/VR, Fog Computing, Edge Computing oder Cloud Computing. Damit versprechen sich die Unternehmen, gezielt und effi- zient aktuelle Geschäftsanforderungen zu beantworten.