Symposium Interview Das Internet der Dinge braucht Dinge Über Herausforderungen und Lösungen für die Mobilität von morgen sprach Dirk Spindler, Leiter F&E Prozesse, Methoden & Tools bei der Schaeffler AG, in seiner Keynote auf dem prostep ivip Symposium. Schaeffler war Industriesponsor der diesjährigen Veranstaltung. E-Mobilität sei nicht die einzige Antwort auf diese Herausforderungen, sagte er im Interview mit dem Produktdaten-Journal. Frage: Herr Spindler, wie war die Resonanz auf Ihre Keynote? Spindler: Sehr positiv. Ich bin von vielen Teilnehmern ange- sprochen worden, die wissen wollten, wie unser Engineering Cockpit funktioniert, welche Erfahrungen wir mit den IT-Anbie- tern gemacht haben und auch was wir vielleicht heute anders machen würden. Dieser Erfahrungsaustausch unter den Anwen- dern ist der wesentliche Wert dieser Veranstaltung. Frage: Was würden Sie denn heute anders machen? Spindler: Ich würde den Fokus noch stärker auf Agilität legen, um der Organisation schneller Ergebnisse präsentieren zu können, die die Akzeptanz sicherstellen. Die Zeiten, in denen man ein Jahr spezifizieren und ein Jahr implementieren konnte, sind vorbei. Frage: Hat denn der Wasserfall-Ansatz zu den Verzögerungen bei der Implementierung des Engineering Cockpits geführt? Spindler: Nein, auch klassische Themen wie Budget- und Ressourcen-Engpässe und die Tatsache, dass wir uns stärker in Richtung PLM bewegen. Das ursprünglich vor allem für die Mechanik-Entwickler konzipierte Cockpit ist mehr zu einem Systems Engineering-Tool geworden. Frage: Ist das Systems Engineering bei Ihnen schon in den Prozessen verankert? Spindler: Es gibt einen Mechatronik-PEP (Produktentstehungs- prozess). Die passenden Systeme sind zum Teil allerdings noch in der Implementierung… Frage: …aber es gibt schon die Vorstellung, dass alles ins PLM gehört? Spindler: Absolut. Meine Vorstellung ist, dass alle Informationen, die man für das Produkt im Laufe seines Lebenszyklus benötigt, an einer Stelle gesammelt werden. Das heißt nicht, dass sie in einer Datenbank liegen müssen, sondern dass es ein System gibt, das an alle Informationen rankommt. Frage: Wie gehen Sie dabei mit der Software um, die normaler- weise im Application Lifecycle Management liegt? Spindler: Heute ist die Software bei uns noch eine Komponente, die wie eine Zeichnung in die Mechanik-Stückliste eingebunden wird. In Zukunft möchten wir im Engineering Cockpit auf Knopf- druck eine mechatronische Stückliste erzeugen können, die immer die aktuellen Software- oder Elektronik-Versionen anzieht. Trotzdem werden wir weiterhin ein Mechanik-PDM- System haben, denn mechanische Komponenten machen immer noch einen wesentlichen Anteil unseres Geschäfts aus. Frage:Wie stark ist Ihre Software-Entwicklungsmannschaft im Vergleich zur Mechanik? Spindler: Von der Mitarbeiterzahl her sicher noch unterrepräsen- tiert, aber wo wir neue Kompetenzen aufbauen, tun wir das in der Mechatronik-Entwicklung und im Systems Engineering. Hier qualifizierte Mitarbeiter zu finden ist allerdings schwer, weshalb wir sehr viel über Umqualifizierung zu erreichen versuchen. Frage: Sie sagten, Sie werden in der Entwicklung künftig stärker in die Vorleistung gehen müssen. Sind so das E-Board oder der Mover entstanden? Spindler: Ja, sie sind entstanden um unseren Kunden zu zeigen, dass wir verstanden haben, welches die Mobilitätsanforderungen der Zukunft sind, ohne dass sie diese Anforderungen immer genau spezifizieren müssen. Wir wollen auch kein elektrisches Rennauto bauen, wie es da in der Ausstellungshalle steht, son- dern zeigen, wie man solche Systeme nutzen kann. Frage: Ist der elektrische Antrieb die einzige Antwort auf alle Mobilitätsanforderungen? Spindler: Das glaube ich nicht. Wir werden in den nächsten zehn, zwanzig Jahren viele verschiedene Antriebskonzepte sehen: Brennstoffzelle, Elektro, vielleicht auch alternative Kraftstoffe und lange Zeit noch klassische oder hybride Antriebe. Es gibt ja genü- gend offene Fragen zur E-Mobilität wie Infrastruktur, Rohstoffe etc. Ob sich eine bestimmte Technologie durchsetzen wird, muss sich zeigen. Es wird auch kombinierte Mobilitäts konzepte geben. Frage: Sind Sie auch in anderen Antriebskonzepten wie der Brennstoffzelle unterwegs? Spindler: Ja. Wir betreiben da sehr intensiv Forschung um zu sehen, was in diesen Konzepten an Produkten steckt, die wir mit unseren Technologien entwickeln können. Wir schauen z.B., welche neuen Verfahren für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen erforderlich sind. Wir wollen aber ein produzierendes Unternehmen bleiben, denn das Internet der Dinge braucht Dinge. Frage: Sie meinen, digitale Geschäftsmodelle funktionieren nicht ohne reale Objekte? Spindler: Dazu stehe ich. Letztlich geht es immer darum, Pro- dukte miteinander zu vernetzten, so dass sie das nächste Perfor- mance-Level erreichen, seien es Autos oder Kaffeemaschinen. Irgendjemand muss in einem Ökosystem also auch die Kaffee- maschinen machen. Apple ist das beste Beispiel für ein Öko - system, das Hard- und Software miteinander kombiniert. Frage: Aber man muss Kaffeemaschinen nicht mehr unbedingt kaufen. Anders gefragt: Schaeffler könnte bestimmte Mobili- tätskomponenten z.B. als Service anbieten? Spindler: Ich glaube schon, dass die Reise dahin geht, aber die Frage ist, wer sich da engagiert. Im Moment sind das sehr stark die OEMs. Uns als Lieferant von komplexen Systemen kann relativ egal sein, wer nachher das Auto kauft, ob das Google oder Uber ist. Er braucht trotzdem einen Wankstabilisator oder irgendwelche elektrischen Antriebe. Herr Spindler, vielen Dank für das Gespräch. (Das Interview führte Michael Wendenburg) 2019-1 ProduktDatenJournal 21